Generative Images / Snots

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Generative Images nenne ich digitale Arbeiten auf der Basis eines von dem Informatiker Peter Serocka um 1996 entwickelten Computerprogramms „lochbl“. Es erlaubt, die optischen Verhältnisse der „Lochblendenstrukturen“ aus dem Jahr 1967 digital zu simulieren - unabhängig davon aber auch fortzuentwickeln. Auf seiner Grundlage können sowohl früheren Motiven ähnliche als auch neue generative Werke entstehen. Die Arbeiten kehren zu den konstruktiven Anfängen determinierter Strukturen zurück. Sie verfügen über eine Präzision, die mit den damaligen optischen Mitteln nicht erreichbar war. 

Auslösend für die neue Programm-Entwicklung wirkte eine Veröffentlichung von Koji Miyazaki und Manabu Shiozaki: „Projection of Four-Dimensional Regular Space Filling“ in der Japanischen Zeitschrift „Research of Patterns“, Tokyo 1994 (ed. R. Tabaki). Sie lag im Visualisierungslabor (VisLab) der Universität Bielefeld aus, und der Mathematiker Prof. Andreas Dress machte mich darauf aufmerksam. Die „Projections“ sahen meinen frühen Lochblendenstrukturen von 1967 erstaunlich ähnlich und wirkten annähernd deckungsgleich, sie vermittelten durchaus etwas Fotografisches: Verläufe von Grautönen, Unschärfen usw. Eine ergiebige Korrespondenz begann, mit einer Reihe von Veröffentlichungen in der von Miyazaki herausgegebenen Zeitschrift „HyperSpace“ der Japan Society for Hyperspace Science der Kyoto Universität.

Camera obscura versus Camera electronica 

Das Langzeitprojekt „Generative Images“ bildet daraus den Syntheseversuch zweier unterschiedlicher generativer Systeme. Das System der multiplen geometrischen Optik der „Camera obscura“ tritt mit dem der digitalen Algorithmen der „Camera electronica“ in einen Dialog. Die Camera obscura bezieht ihre Ergebnisse aus der Analogie von Licht, Optik und lichtempfindlichem Material. Die Camera electronica wendet Rechenoperationen zur digitalen Konstruktion neuer Bilder an. Empirische Erfahrung im Umgang mit natürlichen Quellen (Licht, Sehen) und kalkulierte Erfindung im Umgang mit dem Virtuellen und Nichtsichtbaren (Zahl, Programm) gehen eine Wechselbeziehung ein.

Dabei zeigt sich u. a. die immense technisch-informationelle Distanz und Unterschiedlichkeit zwischen beiden Systemen, zwischen deren Anwendung hier ein Entwicklungszeitraum von über 30 Jahren liegt. So steht z.B. das frühere statische Bild heute dem interaktiven Zugriff offen: Alle bei den Lochblendenstrukturen eingesetzten Gestaltungsparameter können jetzt direkt und verzögerungsfrei über digitale Potenziometer angewendet und beobachtet werden. Trotz der Eleganz des Zugriffs bleibt aber das künstlerische Problem der Entscheidung für Auswahl und Setzung eines Bildes unserer Zeit bestehen. Wie in der Kamera, so entstehen auch hier die Bilder nur anscheinend „von selbst“. 

Erste vielversprechende Versuche mit dem „lochbl“ Programm entstanden im Visualisierungslabor der Universität Bielefeld um 1996 mit Ausdrucken ohne Titel im DIN A4-Format. Eine zweite kleinere Serie von Werken mit Ausdrucken bis 130 x 130 cm wurde bei der Firma fineprint, Bielefeld, 2000 realisiert. Sie entstand im Zusammenhang mit der Vorbereitung zu der Einzelausstellung „Generative Images“ in der Lutz Teutloff Galerie, Bielefeld und besteht aus einer Reihe von großflächigen, unscharfen Punkten: rein digitale Bilder, die als fotobasierte, jedoch computererzeugte Bilder ihren Ursprung „Licht“ und „Photo“ nicht verleugnen sollten. Dazu wurden die fototypischen Spektralfarben Blau, Grün, Rot (additiv) und Gelb, Purpur, Blaugrün (subtraktiv) eingesetzt. Die Bildtitel „Punktum“ und „Infinitum“ verweisen dabei auf fototheoretische und fotohistorische Zusammenhänge, der Begriff „Sfumato“ bewusst auf malerische Intentionen.

Punktum

Snots




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